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Zitierung: BVerfG, 1 BvR 865/00 vom
30.9.2003, Absatz-Nr. (1 - 19),
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Zustimmung des Gerichts.
Leitsätze:
1. Wer die Äußerung
eines Dritten verbreitet, muss sich diese nach der verfassungsrechtlich
nicht zu beanstandenden Auffassung der Fachgerichte als eigene Äußerung
zurechnen lassen, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung
fehlt.
2. Wir aus der äußeren Form
eines Zeitungsartikels hinreichend deutlich, dass allein die
beanstandete Meinung dokumentiert werde, ohne - etwa darauf
aufbauend - eine eigene Stellungnahme über den Beschwerdeführer
abzugeben, ist es Sache der Fachgerichte, eine derartige
Sachverhaltswürdigung zu tätigen. Anlass zur
verfassungsgerichtlichen Beanstandung besteht nicht.
3. Voraussetzung zur
Zulässigkeit des Zitierens ist eine hinreichende journalistischer
Sorgfaltspflicht, ob die Äußerung wirklich gefallen ist.
1 BvR 865/00 v. 30.09.2003 -
Diestel - Bild -
"Bundesscheiße"
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
In
dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
des Herrn Dr. D... |
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- Bevollmächtigte: |
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Rechtsanwälte Dr. Kai Vinck und Koll.,
Uhlandstraße 173/174, 10719 Berlin - |
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gegen |
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das Urteil
des Kammergerichts vom 29. Februar 2000 - 9 U 5861/98 - |
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hat die 1. Kammer des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
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den Präsidenten Papier,
die Richterin Haas
und den Richter Hoffmann-Riem |
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gemäß § 93 b in Verbindung mit
§ 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August
1993 (BGBl I S. 1473)
am 30. September 2003 einstimmig beschlossen: |
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Die Verfassungsbeschwerde wird
nicht zur Entscheidung angenommen. |
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Gründe:
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft
die Abweisung einer Klage auf Entschädigung wegen der in der
Tageszeitung "Bild" veröffentlichten Wiedergabe einer
angeblichen Äußerung B.s über den Beschwerdeführer. |
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1. Die Beklagte zu 1 im
Ausgangsverfahren gibt die Tageszeitung "Bild" heraus. In der
Ausgabe vom 9. Januar 1998 wurde auf Seite 2 ein Artikel "B.:
Die CSU ist wie eine gute Mafia" veröffentlicht, dessen Autorin
die Beklagte zu 2 im Ausgangsverfahren war. Nach dem Artikel
soll B. anlässlich einer Sondervorstellung bei der CSU über den
Beschwerdeführer, den letzten Innenminister und
stellvertretenden Ministerpräsidenten der DDR, gesagt haben:
"Dieser Mann ist solche Bundesscheiße, da möchte man überhaupt
nicht reintreten". |
2 |
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Das Landgericht hat die Beklagten
des Ausgangsverfahrens zu einer Entschädigungszahlung in Höhe
von 40.000 DM verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hin
änderte das Kammergericht diese Entscheidung ab und wies die
Klage mit der Begründung ab, die in dem Zitat enthaltene
Äußerung sei zwar geeignet, das Persönlichkeitsrecht des
Beschwerdeführers zu verletzen. Bei der vorzunehmenden
Güterabwägung sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagten
allein die Tatsachenbehauptung aufgestellt hätten, B. habe sich
so geäußert. Den Inhalt der Äußerung hätten sie sich nicht zu
Eigen gemacht. Das von der Presse wahrzunehmende Interesse der
Öffentlichkeit habe die Beklagten berechtigt, das Zitat trotz
seines stark diffamierenden Inhalts zu veröffentlichen. Sie
hätten sich vor der Veröffentlichung ausreichend von der
Richtigkeit des Zitats überzeugt. |
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Mit der Verfassungsbeschwerde rügt
der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 GG). |
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist
nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine
grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93
a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Die für ihre Beurteilung
maßgebliche Frage nach dem Verhältnis der Meinungsfreiheit zum
Persönlichkeitsschutz hat das Bundesverfassungsgericht bereits
geklärt (vgl.BVerfGE 99, 185 <193 ff.>
). Mangels Erfolgsaussichten ist die Annahme der
Verfassungsbeschwerde auch nicht nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b
BVerfGG zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers
angezeigt. |
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Die angegriffene Entscheidung
verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs.
1 GG. |
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a) Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 GG) schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht
Gegenstand besonderer Freiheitsgarantien sind, aber diesen in
ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht
nachstehen. Dazu gehört die soziale Anerkennung des Einzelnen.
Daher umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz vor
Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das eigene
Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (vgl.BVerfGE
99, 185 <193>; stRspr).
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Der hier beanstandete Satz hat
eine derartige Persönlichkeitsrelevanz. Die Äußerung
beeinträchtigt den sozialen Geltungsanspruch des
Beschwerdeführers und kann insbesondere das Bild nachhaltig
negativ beeinflussen, das sich die Öffentlichkeit von ihm macht. |
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Nach Art. 2 Abs. 1 GG wird das
allgemeine Persönlichkeitsrecht allerdings durch die Rechte
anderer beschränkt. Zu diesen Rechten gehört die
Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Geht es - wie
hier - um die rechtliche Bewertung des Inhalts einer bestimmten
Äußerung, ist ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG einschlägig, nicht etwa die Pressefreiheit aus Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG (vgl.BVerfGE 85, 1
<12 f.>; 95, 28
<34>; 97, 391
<400>). |
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Die Veröffentlichung der Äußerung
eines Dritten ist zunächst insoweit eine Tatsachenbehauptung,
als es um die Aussage geht, dass die Äußerung von dem Dritten
stammt. Enthält die Äußerung inhaltlich - wie hier - eine nicht
dem Beweis zugängliche wertende Aussage mit eigenem Gewicht,
liegt die Persönlichkeitsrechtsverletzung jedoch in erster Linie
in ihr. |
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Die Meinungsfreiheit findet nach
Art. 5 Abs. 2 GG ihrerseits Schranken in den allgemeinen
Gesetzen und im Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehören die
zivilrechtlichen Normen des Persönlichkeitsschutzes, auf die der
Geldentschädigungsanspruch gegründet ist. Bei der Anwendung von
§ 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und
§§ 185 ff. StGB sind die Ausstrahlungswirkung der
Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und der
Persönlichkeitsschutz andererseits zu berücksichtigen. Für den
Schutz der Persönlichkeit des Einzelnen können sich insbesondere
aus dem entgegenstehenden Informationsbedürfnis der
Öffentlichkeit Einschränkungen ergeben. Insoweit bedarf es einer
Güterabwägung im Einzelfall (vgl.BVerfGE 35,
202 <220 f.>). |
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b) Diesen Anforderungen wird die
Entscheidung des Kammergerichts gerecht. Die von der
"Bild"-Zeitung zitierte Äußerung von B. ist vom Kammergericht in
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als
Schmähkritik eingeordnet worden. Denn in ihr stand ersichtlich
nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern jenseits
auch polemischer oder überspitzter Kritik die Diffamierung der
Person des Beschwerdeführers durch B. im Vordergrund (vgl. zu
diesen Voraussetzungen der SchmähkritikBVerfGE
82, 272 <283 f.>
; stRspr). Dennoch begegnet es keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken, dass das Kammergericht im Zuge einer Abwägung in der
Veröffentlichung der Äußerung durch die "Bild"-Zeitung keine
rechtswidrige Persönlichkeitsbeeinträchtigung gesehen und in der
Folge einen Geldentschädigungsanspruch verneint hat. |
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aa) Wer die Äußerung eines Dritten
verbreitet, muss sich diese nach der verfassungsrechtlich nicht
zu beanstandenden Auffassung der Fachgerichte als eigene
Äußerung zurechnen lassen, wenn es an einer eigenen und
ernsthaften Distanzierung fehlt (vgl. BGH, VersR 1969, S. 851
<852>; BGHZ 132, 13 <18 f.>; BGH, NJW 1997, S. 1148 <1150>). Ein
Zueigenmachen liegt insbesondere vor, wenn die Äußerung eines
Dritten in den eigenen Gedankengang so eingefügt wird, dass
dadurch die eigene Aussage unterstrichen werden soll (vgl. BGH,
NJW 1976, S. 1198 <1200>; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 34). |
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So liegt es hier aber nicht.
Tragfähig stellt das Kammergericht darauf ab, dass der Artikel
nach seinem Sachzusammenhang keine Billigung der wiedergegebenen
Fremdäußerung erkennen lässt. Durch die verwandten
Anführungszeichen werde deutlich auf die Äußerung eines Dritten
hingewiesen (dazu vgl. allgemein Wenzel, Das Recht der Wort- und
Bildberichterstattung, 4. Aufl., 1994, Rz. 4.103). |
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Das Kammergericht hat die
Veröffentlichung dahingehend gedeutet, dass aus der äußeren Form
des Zeitungsartikels hinreichend deutlich werde, dass allein die
beanstandete Meinung dokumentiert werde, ohne - etwa darauf
aufbauend - eine eigene Stellungnahme über den Beschwerdeführer
abzugeben. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagten
der Meinungsäußerung beipflichten würden. Eine derartige
Sachverhaltswürdigung ist Sache der Fachgerichte. Anlass zur
verfassungsgerichtlichen Beanstandung besteht nicht. |
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bb) Ebenfalls nicht zu beanstanden
ist die Auffassung des Kammergerichts, die Beklagte habe die
Äußerung vor der Verbreitung unter Beachtung journalistischer
Sorgfaltsanforderungen darauf überprüft, ob sie wirklich
gefallen ist, und dass die Art und Intensität dieser Überprüfung
hinreichend gewesen sei. |
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cc) Das Kammergericht hat in die
gebotene Abwägung das von der Presse wahrgenommene Interesse der
Information der Öffentlichkeit eingestellt. Die Beklagte sei
berechtigt gewesen, das Zitat trotz seines stark diffamierenden
Inhalts zu veröffentlichen. Das Kammergericht stellt
insbesondere darauf ab, dass der Beschwerdeführer zahlreiche
öffentliche Ämter innegehabt habe und deshalb öffentliches
Interesse erwecke. Ähnliches gelte für B., der nicht nur als
Künstler bekannt sei, sondern als Dissident der DDR und Kritiker
auch der heutigen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland
hervorgetreten sei. Die Öffentlichkeit habe ein berechtigtes
Interesse an Informationen über das noch nicht abgebaute
Spannungsverhältnis zwischen den Personen, die in der DDR auf
Grund ihrer beruflichen und politischen Tätigkeit prominent
waren. Dies sind sachnahe Gesichtspunkte zur Anerkennung eines
Interesses an öffentlicher Information. Verfassungsrechtlich
sind sie nicht zu beanstanden. |
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c) Von einer weiteren Begründung
wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen. |
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Diese Entscheidung ist
unanfechtbar. |
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Papier |
Haas |
Hoffmann-Riem |
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Rolf Schälike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 06.02.07
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