Wallraff-Urteil - 1 BvR 272/81 -
Zitierung: BVerfG, 1 BvR 272/81 vom 25.01.1984 Frei für den nicht gewerblichen Gebrauch. Kommerzielle Nutzung nur mit Zustimmung des Gerichts.
Leitsätze
1. Das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG) gewährleistet auch die Vertraulichkeit der Arbeit von
Zeitungsredaktionen und Zeitschriftenredaktionen. Die Tragweite dieses
Schutzes im konkreten Fall ergibt sich allerdings erst, wenn die
Schranken des Grundrechts berücksichtigt werden.
2. a) Die Veröffentlichung rechtswidrig
beschaffter oder erlangter Informationen wird vom Schutz der
Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfaßt. Auch insoweit kommt es
jedoch auf die Schranken des Grundrechts an.
b) In Fällen, in denen der Publizierende sich
die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Absicht
verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die
Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme gilt nur,
wenn die Bedeutung der Informationen für die Unterrichtung der
Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung einseitig die
Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und für
die Rechtsordnung nach sich ziehen.
3. Zur Bedeutung des Grundrechts auf freie
Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) für die Beurteilung
herabsetzender Äußerungen im öffentlichen Meinungskampf.
des
Ersten Senats vom 25. Januar 1984 |
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in dem
Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Axel Springer Verlag AG,
... |
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Das
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Januar 1981 - VI ZR 162/79 -
verletzt, soweit die Klage der Beschwerdeführerin auf Unterlassung der
Publikation der Schilderung einer Redaktionskonferenz (Klagantrag 1)
abgewiesen worden ist, die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus
Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Insoweit wird es
aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
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Im
übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. |
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Die
Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die Hälfte der
notwendigen Auslagen zu erstatten. |
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Gründe: |
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A. |
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft im wesentlichen die Frage, ob
eine zivilgerichtliche Entscheidung mit dem Grundrecht der
Pressefreiheit vereinbar ist, die es für Rechtens hält, daß
Informationen aus dem redaktionellen Bereich eines Presseorgans
veröffentlicht werden, welche der Publizierende sich unter Täuschung
über seine Identität und seine Absichten verschafft hat.
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1 |
I.
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1. Die Beschwerdeführerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens
betreibt ein umfangreiches Verlagsgeschäft in der Rechtsform einer
Aktiengesellschaft. Sie verlegt unter anderem die "Bild"- Zeitung.
Der Zweitbeklagte des Ausgangsverfahrens, der Schriftsteller Günter
Wallraff, ist der Autor eines im Jahre 1977 bei der Erstbeklagten
erschienenen Buches mit dem Titel "Der Aufmacher - Der Mann, der bei
'Bild' Hans Esser war", in dem er sich kritisch mit den
journalistischen Methoden, der redaktionellen Arbeit und den
Inhalten der "Bild"-Zeitung auseinandersetzt. Um sich Informationen
für die geplante Veröffentlichung zu verschaffen, ließ sich der
Zweitbeklagte nach Veränderung seines äußeren Erscheinungsbildes
unter dem Decknamen "Hans Esser" von der Beschwerdeführerin als
freier Mitarbeiter anstellen. In der Zeit von März bis Juli 1977
arbeitete er als Journalist in der Redaktion der "Bild"-Zeitung in
Hannover.
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2 |
In der Vorbemerkung zu dem Buch heißt es: "Doch wurde nichts
erfunden oder hinzugedichtet. Äußerungen und Dialoge habe ich teils
direkt mitgeschrieben, teils nach Redaktionsschluß in
Gedächtnisprotokollen festgehalten. Sie erscheinen im Buch zumeist
in wörtlicher Rede, auch wenn sie nicht immer wortwörtlich sind, um
ihren exemplarischen Charakter unmittelbar zu veranschaulichen."
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3 |
2. a) Die Beschwerdeführerin wehrte sich mit zahlreichen
Verbotsanträgen gegen verschiedene Textstellen des Buches. Im
Ausgangsverfahren begehrte sie die Unterlassung der Publikation
mehrerer Passagen:
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4 |
Der Klagantrag 1) betrifft die auf den Seiten 24 bis 26 enthaltene
Schilderung von Inhalt und Ablauf einer Redaktionskonferenz, auf der
in alltäglicher Weise und ohne Erwähnung von Informationsquellen
Themen für die nächste Ausgabe durchgesprochen wurden; die
Äußerungen der Teilnehmer sind in wörtlicher Rede wiedergegeben.
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5 |
Der Klagantrag 2) richtet sich gegen den Bericht über eine
Reportage, die der Zweitbeklagte im Auftrag des Chefreporters über
Jugendliche machen sollte, die sich in Flipperhallen aufhalten.
Nachdem er telefonisch mitgeteilt hatte, daß er lediglich
arbeitslose Jugendliche angetroffen habe, die sich wiederholt vergeblich
um eine Stelle beworben hätten, wird auf S. 73 des Buches die
Antwort des Chefreporters wie folgt wörtlich zitiert: "Lassen Sie
mal,..., kommen Sie zurück, machen Sie bloß kein soziales Thema
draus! Ich hab ein bezauberndes Thema für Sie: Wir haben da Material
aus Stuttgart. Sie müssen es einhannoveranern. Suchen Sie jetzt mal
in der Stadt einen der schönsten Gartenzwerge. Der Gartenzwerg
feiert gerade hundertjährigen Geburtstag, ich geb Ihnen Adressen von
ein paar Gartenbedarfsgeschäften, lassen Sie ein Foto machen und
kommen Sie dann her."
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6 |
Gegenstand des Klagantrags 3) ist die auf S. 75
abgebildete Manuskriptseite eines vom Zweitbeklagten gefertigten
Berichts über die erwähnten Spielhallen einschließlich der von dem
Chefreporter in der Redaktion angebrachten handschriftlichen
Änderungen. Die Bildunterschrift lautet: "Ich liefere das
Spielhallen- Manuskript ab. Eigenhändig fälscht Sigi Trikoleit und
dichtet Zitate hinein."
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7 |
Der Klagantrag 4 a) bezieht sich auf die S. 91 f., wo der
Zweitbeklagte behauptet, für die Behandlung "politischer Themen" sei
fast ausschließlich ein bestimmter Redakteur zuständig.
"Entsprechend werden sie abgehandelt. CDU-Hauspostille,
Gewerkschaften, Betriebsräte, Arbeitskonflikte, derartige Themen
kommen während meiner viermonatigen Tätigkeit bei Bild nicht vor.
Fast nur bei Streiks wird so was 'Abwegiges' zum Thema. Und dann
kann man sich darauf verlassen: Die Unternehmer haben recht!"
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8 |
Der Klagantrag 4 b) betrifft die Ausführungen des Zweitbeklagten auf
S. 126 des Buches. Danach müsse die "Bild"-Zeitung "rechte Politik
auch an den SPD-Wähler, an Arbeiter und Angestellte bringen".
Politik müsse daher indirekt gemacht werden, "über Emotionen und
Vorurteile: Aufputschen gegen Minderheiten, Schüren von Haß und
Angst - am besten anhand unpolitisch scheinender Objekte
(Triebtäter, Gastarbeiter): Das bringt die Stimmung, die sich zum
kollektiven Schrei nach Todesstrafe, Rübe ab, Draufschlagen
verdichten läßt. Strauß und Dregger sind bloß die Fettaugen auf der
Suppe des gesunden Volksempfindens.
Die Küche, in der sie angerührt wird, ist die "Bild"- Zeitung."
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9 |
b) Das Landgericht gab der Klage in vollem Umfang statt. Auf die
Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht durch Teilurteil
die Klaganträge 2) und 4 b) ab; dagegen bestätigte es die
Verurteilung der Beklagten nach den Klaganträgen 1) und 3). Über den
Antrag 4 a) entschied es nicht, weil die Sache insoweit noch nicht
entscheidungsreif sei.
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10 |
c) Der Bundesgerichtshof hat die Anschlußrevision der
Beschwerdeführerin zurückgewiesen; auf die Revision der Beklagten
hat er die angefochtenen Entscheidungen aufgehoben, soweit in ihnen
den Klaganträgen stattgegeben worden war, und insoweit die Klage
abgewiesen (BGHZ 80, 25). Seine Entscheidung beruht im wesentlichen
auf folgenden Erwägungen:
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11 |
aa) Die Frage, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin die im
Klagantrag 1) beanstandete Textstelle verbieten könne, lasse sich
nur aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung auf der Grundlage
der konkreten Umstände des Streitfalles beantworten, wobei vor allem
die Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten der
Meinungsfreiheit berücksichtigt werden müsse. Dies gelte sowohl für
die deliktischen Ansprüche aus § 823 Abs. 1 und § 826 BGB als auch
für die besonders bedeutsamen Vertragsansprüche der
Beschwerdeführerin.
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12 |
Auf seiten der Beschwerdeführerin sei insbesondere ihr Interesse
betroffen, ihre innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit
geheimzuhalten und dadurch ihren Redaktionen den für deren Arbeit
notwendigen Bereich der Vertraulichkeit zu sichern. Ein Mindestmaß
an Vertraulichkeitsschutz gehöre zu den Grundlagen nicht nur jedes
Arbeitsverhältnisses, sondern jeder unternehmerischen Betätigung.
Das gelte insbesondere für die redaktionelle Arbeit einer Zeitung,
die zum Schutze ihrer Informanten auf Vertraulichkeit besonders
angewiesen sei. Der Tätigkeits- und Entscheidungsbereich einer
Redaktionskonferenz sei indessen den Einblicken der Öffentlichkeit
nicht schlechthin entzogen. Die Tätigkeit der Presse sei immer
"öffentliche Angelegenheit". Etwas
anderes folge für die Presse auch nicht aus der
verfassungsrechtlichen Garantie der Pressefreiheit. Sie sei nicht
schlechthin vor jeder Aufdeckung der Entscheidungsvorgänge innerhalb
der Redaktion und ihrer kritischen Erörterung geschützt. Deshalb
könne ein Zeitungsverlag die Pressefreiheit nicht dafür in Anspruch
nehmen, den redaktionellen Arbeitsbereich unter Berufung auf das
Redaktionsgeheimnis von vornherein einer öffentlichen Diskussion und
Kritik zu entziehen. Das Interesse der Zeitung, ihre Redaktionen vor
Einblicken Außenstehender Abzuschirmen, müsse daher zurücktreten,
wenn sich - wie hier - die internen Informationen auf das
Strukturelle und das Klima der Arbeits- und Entscheidungsvorgänge
beschränkten, um beanstandungswürdige Methoden und Haltungen bei
Auswahl und Bearbeitung der Informationen sichtbar zu machen.
Belastungen der redaktionellen Arbeit durch den kontrollierenden
Einfluß der Öffentlichkeit beschränkten nicht die Pressefreiheit,
sondern dienten ihr.
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13 |
Die Schilderung der Redaktionskonferenz solle gewichtige Mißstände
aufdecken: Die Einstellung der Journalisten zu ihrer Arbeit, ihr
Verhältnis zur Leserschaft und die Arbeitsbedingungen in der
Redaktion seien selbst bei einer eher am Sensationsbedürfnis als am
Informationsinteresse ausgerichteten Boulevardzeitung mit den
Aufgaben der Presse schwerlich in Einklang zu bringen und verdienten
die besondere Beachtung der Öffentlichkeit. Zwar sei die
Veröffentlichung zahlreicher in dem Buch enthaltener Behauptungen
verboten worden. Aber auch wenn man die von der Beschwerdeführerin
beanstandeten Textstellen nicht berücksichtige, werde die Kritik des
Zweitbeklagten von wesentlichen Sachverhalten getragen. Die
öffentliche Relevanz der in seiner Veröffentlichung aufgezeigten
Mißstände rechtfertige die Schilderung der Redaktionssitzung. Die
Öffentlichkeit habe nicht nur ein schutzwürdiges Interesse an der
Aufdeckung besonders gravierender Rechtsverstöße, sondern auch an
der von Fehlentwicklungen eines Journalismus, der noch Formen des
Rechts in Anspruch nehmen möge, aber die Aufgabe der Presse und ihre
Verantwortung aus dem Auge verloren habe. Das öffentliche nteresse
ergebe sich des weiteren aus dem großen Verbreitungskreis der
"Bild"-Zeitung.
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14 |
Soweit es dem Kritiker um die Aufdeckung von Mißständen gehe, sei es
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts zulässig, aus -
isoliert betrachtet - trivialen Einzelbeschreibungen der
Alltagsarbeit der Redaktion ein Gesamtbild zusammenzusetzen. Der
Zweitbeklagte sei auch nicht gehalten gewesen, zur Schonung der
Beschwerdeführerin nach anderen Darstellungsformen für seine Kritik
zu suchen. Bei einer zulässigen Kritik unterlägen Inhalt und Form
der Darstellung keinen Beschränkungen. Art. 5 Abs. 1 GG verbiete es,
den Kritiker hierbei auf das unabdingbar Notwendige zu verweisen.
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15 |
An der Zulässigkeit der Veröffentlichung ändere auch die Art der
Beschaffung der Informationen durch den Zweitbeklagten nichts.
Allerdings sei bei der Beurteilung, in welchem Umfang die
Veröffentlichung vertraulicher Informationen das Grundrecht der
Pressefreiheit für sich in Anspruch nehmen könne, auch darauf zu
sehen, wie sich der Kritiker die Information verschafft habe.
Meinungsfreiheit gewähre Art. 5 GG nur in den Schranken der
allgemeinen Gesetze. Die Mißbilligung von Art und Weise, in der eine
vertrauliche Information beschafft worden sei, könne ihrer
Veröffentlichung entgegenstehen. Das Berufungsgericht habe das
Verhalten des Zweitbeklagten zu Recht als unzulässiges Einschleichen
in das Unternehmen der Beschwerdeführerin gewürdigt. Indessen ziehe
ein illegales Vorgehen bei der Informationsbeschaffung dann kein
Verwertungsverbot für die auf diese Weise erlangten Informationen
nach sich, wenn und soweit diese - wie hier - dazu eingesetzt
würden, Mißstände aufzudecken, deren Offenlegung für die
Allgemeinheit von besonderem Interesse sei. Die nachteiligen
Wirkungen einer derartigen Veröffentlichung seien hinzunehmen, wenn
Ernsthaftigkeit und Bedeutung des Anliegens, das der Kritiker mit
seinem Beitrag verfolge, die für das Presseorgan entstehenden
Nachteile überwögen. Von einem solchen, die schutzwürdigen Belange
der Klägerin deutlich übersteigenden öffentlichen Wert der
mitgeteilten Informationen sei hier auszugehen,
da sie der Aufdeckung gewichtiger Mißstände in der
Öffentlichkeitsarbeit der "Bild"-Zeitung dienten.
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16 |
bb) Auch mit ihrem Klagantrag 3) könne die Beschwerdeführerin keinen
Erfolg haben. Der Abdruck der Manuskriptseite (S. 75) könne entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts nicht verboten werden, da er im
Zusammenhang mit der Kritik an der mißbräuchlichen Einflußnahme der
"Bild"-Zeitung auf die Bildung der öffentlichen Meinung erfolgt sei.
Die Tatsache, daß und inwieweit der Beitrag eines Mitarbeiters der
Redaktion durch den Chefreporter abgelehnt worden sei, zähle nicht
zu den grundsätzlich geheimzuhaltenden Betriebs- oder
Geschäftsinhalten. Der Abdruck der Manuskriptseite diene ebenfalls
der Aufdeckung von Mißständen, an denen ein besonderes Interesse
bestehe. Die durch den Abdruck kenntlich gemachten Zusätze des
Chefreporters enthielten nicht nur stilistische Korrekturen, sondern
inhaltliche Ergänzungen, die, wenn ihnen kein entsprechendes
Informationsmaterial zugrunde gelegen habe, zu den "erfundenen
Geschichten" gehörten, die der Zweitbeklagte der "Bild"-Zeitung als
Form der Nachrichtenmanipulation zum Vorwurf mache.
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17 |
cc) Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Abweisung des
Klagantrags 2) durch das Berufungsgericht wehre, bleibe ihre
Revision im Ergebnis ohne Erfolg. Das Berufungsgericht habe die
beanstandete Wiedergabe der Äußerung des Chefreporters (S. 73) zu
Recht als zulässig angesehen. Sie zähle zu dem Tatsachenmaterial,
mit dem der Zweitbeklagte belegen wolle, daß die Redaktion soziale
Themen unterdrücke. Auch dieser Themenkreis sei sachlich dem
berechtigten Anliegen der Veröffentlichung zuzurechnen, so daß die
Wiedergabe des Zitats zulässig sei. Zu Recht habe das
Berufungsgericht auch die Befugnis der Beschwerdeführerin verneint,
im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft Unterlassungsansprüche
ihres Chefreporters geltend zu machen.
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18 |
dd) Die von der Beschwerdeführerin in dem Klagantrag 4 b)
beanstandete Textpassage (S. 126) stelle für einen unbefangenen
Durchschnittsleser eine Zusammenfassung der Erfahrungen des Autors
mit dem Inhalt der "Bild"-Zeitung in Form einer Gesamtbeurteilung
ihrer Tendenz und Wirkung auf den Leser dar. Eine derartige wertende
Stellungnahme könne dem Zweitbeklagten nicht verboten werden. Die
"Bild"-Zeitung fordere nach Aufmachung, Themenwahl und -behandlung
zur Polarisierung der Standpunkte heraus. In Anbetracht der
Bedeutung dieser Zeitung für die Meinungsbildung müsse sie eine
engagierte Ablehnung hinnehmen, die sich auch der Überzeichnung
bedienen dürfe. Vom Standpunkt eines engagierten Kritikers aus
stelle die streitige Äußerung keine jeder sachlichen Grundlage
entbehrende Schmähkritik dar.
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19 |
II.
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Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin
gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs und das Teilurteil des
Oberlandesgerichts, soweit in diesem ihre Klage abgewiesen worden
ist.
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20 |
1. a) Durch die Abweisung des Klagantrags 1) sei insbesondere ihr
Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Der
Bundesgerichtshof betone zwar bei seiner Güterabwägung die Bedeutung
des Grundrechts der Meinungsfreiheit auf Seiten der Beklagten,
berücksichtige hingegen nicht in gleicher Weise die Grundrechte,
insbesondere die Pressefreiheit auf Seiten der Beschwerdeführerin.
Auf deren Seite seien lediglich die zivilrechtlichen Absicherungen
des Vertraulichkeitsschutzes der Informationsquellen sowie von
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen einschließlich ihres "Umfeldes"
als einfachrechtliche Teilausformungen der Pressefreiheit ins Feld
geführt worden. Das Grundrecht der Pressefreiheit gewährleiste
jedoch mehr als nur den Schutz eines mit Geschäftsgeheimnissen
ausgestatteten und auf Informationsquellen angewiesenen
Gewerbeunternehmens. Zu den Essentialien eines Pressebetriebes zähle
die Gewähr, im redaktionellen Bereich nicht belauscht zu werden. Der
Schutz einer pressespezifischen Vertraulichkeitszone gerade im
redaktionellen Bereich sei ein substantieller Bestandteil des
Verfassungsgutes Pressefreiheit.
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21 |
Ferner habe das Revisionsgericht den Gesichtspunkt des Informantenschutzes
in die Abwägung einbeziehen müssen. Zwar decke die Darstellung der
Redaktionskonferenz nicht die Identität einzelner Informanten auf.
Infolge der im Ergebnis gebilligten Zerstörung der Vertraulichkeit
der redaktionellen Arbeit entstehe jedoch die reale Gefahr, daß die
Presse von Informationen abgeschnitten werden könne, die ihr im
Vertrauen auf den Bestand dieser Vertraulichkeit zuflössen. Zu
Unrecht habe der Bundesgerichtshof es unterlassen, bei der Abwägung
den für den vorliegenden Fall charakteristischen Umstand des
eigenen, zielgerichteten Einbruchs des Zweitbeklagten in die
Vertraulichkeitssphäre der Beschwerdeführerin zum Zweck der
Beschaffung und anschließenden Publizierung von Informationen
gebührend zu berücksichtigen. Ebensowenig sei der wichtige Aspekt
gewürdigt worden, daß die Publikation der in rechtswidriger Weise
beschafften Informationen nicht nur die Auswirkungen des illegalen
Verhaltens gesteigert habe, sondern die eigentliche Verwirklichung
des Vertrauensbruches darstelle. Erst hierdurch werde der
verfassungsrechtlich entscheidende Schaden, die Zerstörung der
Vertraulichkeitssphäre, verursacht.
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22 |
Derart gewichtige Einbrüche in die Grundrechtssphäre könnten nicht
schon durch das bloße Interesse der Öffentlichkeit an der Aufdeckung
gewichtiger Mißstände, sondern nur bei Vorliegen gravierender
Rechtsbrüche gerechtfertigt werden. Das Revisionsurteil habe nicht
berücksichtigt, daß nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts auch die "nicht seriöse" Presse den vollen
Schutz der Pressefreiheit genieße und eine Differenzierung nach dem
Kriterium der Seriosität oder der sittlichen Qualität der Meinungen
auf eine Bewertung und Lenkung durch staatliche Stellen hinausliefe,
was dem Wesen dieses Grundrechts widersprechen und zur Relativierung
des Grundrechtsschutzes führen würde. Der Staat verfüge weder über
einen Maßstab noch über die Kompetenz zur Entscheidung der Frage,
welches Verhalten der Presse den Allgemeininteressen diene. Indem
das Revisionsgericht den Einbruch in die redaktionelle
Vertraulichkeitssphäre der Pressearbeit der "Bild"-Zeitung
legitimiert habe,
habe es in einer Art von "Presserichtertum" Wertungen vorgenommen,
für die ihm die Kompetenz fehle.
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23 |
b) Durch das Ergebnis der Abwägung sei außerdem Art. 14 Abs. 1 Satz
1 GG verletzt. Die Wiedergabe des Inhalts der Redaktionskonferenz
stelle einen schweren Eingriff in die betriebliche Sphäre dar, die
als "eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb" vom Schutz der
Eigentumsgarantie umfaßt werde. Darüber hinaus werde im
Revisionsurteil zu Unrecht nicht berücksichtigt, daß der
Beschwerdeführerin ein Anspruch gemäß § 249 BGB zustehe, der "in
seiner Substanz" durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt sei.
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24 |
c) Schließlich sei ihr Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt. In
dem Urteil des Bundesgerichtshofs seien bestimmte Sachverhalte als
wahr unterstellt worden, weil sie diese gerichtlich nicht
angegriffen habe. Mit der erstmals in den Gründen des
Revisionsurteils erfolgten Tatsachenunterstellung werde die
Beschwerdeführerin unzulässigerweise überrascht. Das Urteil beruhe
auch auf dieser Verletzung. Hätte das Revisionsgericht der
Beschwerdeführerin einen Hinweis gegeben, daß es diese Textstellen
als wahrheitsgemäße Schilderung ansehe und seiner Entscheidung
zugrunde legen wolle, hätte sie dies unter Antritt von Zeugenbeweis
bestritten und hierdurch eine Zurückverweisung an das
Berufungsgericht herbeigeführt.
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25 |
2. Soweit das Revisionsurteil den Klagantrag 3) abgewiesen habe,
beruhe es auf den gleichen Grundrechtsverstößen. Die Entstehung
eines Zeitungsartikels gehöre ebenfalls zum engsten
Vertraulichkeitsbereich der Presse und zum Kernbereich der
betrieblichen Sphäre.
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26 |
3. Für das mit dem Klagantrag 2) erstrebte Verbot der Textpassage
auf S. 73 des Buches komme es entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts nicht auf den Aussagegehalt und die Gewichtigkeit
der Äußerung des Chefreporters an. Die Pressefreiheit sei bereits
dann intensiv betroffen, wenn einzelne Äußerungen, die den Inhalt
der redaktionellen Arbeit beträfen und auf illegale Weise in
Erfahrung gebracht worden seien, verbreitet
würden.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzten auch insoweit die
bereits bezeichneten Grundrechte der Beschwerdeführerin, da die
Gerichte der Veröffentlichung dieser Passage nicht entgegengetreten
seien.
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27 |
4. Der Abschnitt endlich, gegen den sich der Klagantrag 4 b) richte
(S. 126), enthalte entgegen der Auffassung des Revisionsgerichts
unwahre Tatsachenbehauptungen, die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht
geschützt seien. Deren Auswirkungen beträfen die wirtschaftliche
Sphäre der Beschwerdeführerin in intensiver Weise. Hierdurch seien
ihre Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1
Satz 2 GG, zumindest aus Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Aber auch
wenn es sich um Werturteile handeln sollte, hätte bei der
Gesamtabwägung das diese Textpassage kennzeichnende Fehlen einer
ernsthaft-sachbezogenen Erörterung und der Umstand mit einbezogen
werden müssen, daß sich die "Bild"-Zeitung stets gegen die
Todesstrafe ausgesprochen habe.
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28 |
III.
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Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich die Beklagten des
Ausgangsverfahrens, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.
V., der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V., der Deutsche
Journalisten-Verband e. V. und die Deutsche Journalisten- Union in
der IG Druck und Papier geäußert.
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29 |
1. Nach Auffassung der Beklagten des Ausgangsverfahrens verletzen
die angegriffenen Entscheidungen die Beschwerdeführerin nicht in
ihren Grundrechten. Es gehe im Kern um das Verhältnis des
Vertraulichkeitsschutzes für den redaktionellen Arbeitsbereich und
des Interesses der Öffentlichkeit, hierüber, insbesondere über
vorhandene Mißstände, informiert zu werden. Die erforderliche
Abwägung beider Belange habe der Bundesgerichtshof zu Recht konkret
und fallbezogen unter gebührender Berücksichtigung der Bedeutung der
Pressefreiheit auf Seiten der Beschwerdeführerin vorgenommen. Er
habe dabei - wie im einzelnen näher ausgeführt wird - zutreffend auf
die konkreten Umstände des Einflusses und der Auflagenstärke der
"Bild"-Zeitung
sowie auf die Richtung der Kritik und ihren Bezug zur Pressefreiheit
abgestellt.
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30 |
Die Arbeit insbesondere der die Meinungsbildung intensiv
beeinflussenden auflagenstarken Massenblätter und das kritische
Öffentlichkeitsinteresse an ihrer Arbeitsweise seien zwei Aspekte
der demokratischen Komponente der Meinungsfreiheit. Einerseits sei
die Presse als Kontrollinstanz für den politischen Prozeß
unentbehrlich, andererseits sei sie als soziale Macht von diesen
demokratischen Kritik- und Kontrollverfahren nicht ausgenommen. Die
"Betriebsreportage" des Zweitbeklagten füge sich von seinem
Selbstverständnis als "V-Mann der demokratischen Öffentlichkeit" mit
seiner Methode der "Teilnehmenden Beobachtung" ein in den
Zusammenhang notwendiger, demokratisch legitimierter Kritik an der
gerade in den Redaktionen stattfindenden Pressearbeit.
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31 |
Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs könne keinen Erfolg
haben. Die vom Bundesgerichtshof als Beleg für das Vorhandensein
gewichtiger Mißstände herangezogenen Textstellen seien lediglich
beispielhafter Natur. Selbst wenn die Beschwerdeführerin einzelne
Tatsachenbehauptungen widerlegen könne, hätte dies am Ergebnis des
Revisionsurteils nichts geändert; die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs beruhe mithin nicht auf der gerügten
Grundrechtsverletzung.
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32 |
2. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. hält das
Urteil des Bundesgerichtshofs für unvereinbar mit dem Grundrecht der
Pressefreiheit. Zur verfassungsrechtlich geschützten
Funktionsfähigkeit der Presse zähle ein Schutz der redaktionellen
Arbeit vor geplanter und durch Täuschung ermöglichter Belauschung
und Enthüllung. Als Konsequenz der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs werde Mißtrauen bei der Einstellung von
Journalisten herrschen; denkbar sei auch eine gewisse Reserve
gegenüber neuen Kollegen in der Redaktion. Für eine
Auseinandersetzung mit der Redaktionspolitik wie mit der
Berichterstattung der "Bild"-Zeitung habe es andere, rechtlich
einwandfreie Wege gegeben. Der Bundesgerichtshof habe bei der
Bewertung von
Wallraffs Anliegen als "ernsthaft" übersehen, daß dieser kein
untadeliger Pressekritiker sei, dem es um die Durchsetzung von hohen
journalistischen Standards gehe; er handele vielmehr aus
ideologischer Gegnerschaft. Im übrigen liege dem Revisionsurteil
eine mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbare Unterscheidung
zwischen "guter" und "schlechter" Presse zugrunde.
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33 |
3. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.
V. hat ebenfalls Bedenken gegen die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs geäußert. Die Anwendung der dem Urteil
zugrundeliegenden Maßstäbe führe zu einer Behinderung der täglichen
Arbeit in der Redaktion und beeinträchtige den für die Presse
lebensnotwendigen Informationsfluß. Das für die Redaktionsarbeit
geltende Aktualitätsgebot führe oftmals zu einem Zeitdruck, der eine
unbürokratische und unkonventionelle Arbeitsweise bedinge. Die
Arbeitsatmosphäre einer Redaktion vertrage es nicht, daß jedes Wort
in der Sorge auf die Goldwaage gelegt werde, ein widerrechtlich
Eingedrungener könne es nach außen tragen. Zur Pressefreiheit gehöre
es, daß die redaktionelle Arbeit vor Belauschung durch Dritte
geschützt sei und in einem Klima des Vertrauens vor sich gehen
könne. Es bestehe aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofs die
Gefahr, daß die jeweiligen Gegner der politisch-publizistischen
Haltung eines Presseorgans das Vorgehen Wallraffs nachahmen könnten.
Ferner müsse im Hinblick auf die Unsicherheit über das Ausmaß des
Vertrauensschutzes davon ausgegangen werden, daß die Unterrichtung
der Presse durch potentielle Informanten leide.
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34 |
4. Der Deutsche Journalisten-Verband e. V. hat sich in seiner
Stellungnahme der Entscheidung des Bundesgerichtshofs angeschlossen.
Die Vertraulichkeit von Redaktionskonferenzen müsse zwar
grundsätzlich geschützt werden, wenn und soweit hier
Informationsquellen zur Sprache kämen. Denn ohne ergiebige und
geschützt Informationsquellen gebe es keine Information. Da es im
Streitfall jedoch nicht um Quellenschutz gehe - weder der Bericht
über die Redaktionskonferenz noch die übrigen strittigen
Textpassagen begründeten die Gefahr der konkreten Preisgabe
der
auch nur der allgemeinen Verunsicherung von Informanten - sei die
Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht der Pressefreiheit
verletzt.
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35 |
5. Auch die Deutsche Journalisten-Union ist der Meinung, daß das
Urteil des Bundesgerichtshofs einer verfassungsrechtlichen
Nachprüfung standhalte. Die in der Verfassungsbeschwerde
vorgenommene Ableitung einer redaktionellen Vertraulichkeitssphäre
aus der privatrechtlichen Eigentumsstruktur sei ebenso verfehlt wie
die Geltendmachung höchstpersönlicher Rechtspositionen der
Beschäftigten durch die Beschwerdeführerin. Die redaktionelle Arbeit
gehöre nicht zur Privat- sondern zur Sozialsphäre des
Presseunternehmens. Ebensowenig könne der Berufung der
Beschwerdeführerin auf Art. 14 GG gefolgt werden. Einen umfassenden
Schutz der gewerblichen Sphäre gewährleiste das Grundgesetz nicht.
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36 |
B. |
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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37 |
Die Beschwerdeführerin ist befugt, die von ihr
gerügten Grundrechtsverletzungen im Verfassungsbeschwerde-Verfahren
geltend zu machen. Soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese
anwendbar sind, gelten sie auch für inländische juristische Personen
(Art. 19 Abs. 3 GG). Die Beschwerdeführerin, die ihr Verlagsgeschäft
in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betreibt, ist Trägerin
der Grundrechte der Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 14 Abs. 1 und Art.
103 Abs. 1 GG. Eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG kann sie
allerdings nur insoweit geltend machen, als sie in ihrem Recht auf
freie Entfaltung im Sinne der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit
betroffen ist (vgl. BVerfGE 10, 221 [225]).
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38 |
C. |
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Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs verletzt, soweit es
die Klage auf Unterlassung der Publikation der Schilderung einer
Redaktionskonferenz auf den Seiten 24 bis 26 des Buches des
Zweitbeklagten (Klagantrag 1) abweist, das Grundrecht der
Pressefreiheit.
Soweit über den Klagantrag 3) entschieden worden ist, kann eine
Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit nicht festgestellt
werden. Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde nicht begründet.
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39 |
I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche
Entscheidungen über einen bürgerlich-rechtlichen
Unterlassungsanspruch. Das Bundesverfassungsgericht hat Auslegung
und Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften als solche
nicht nachzuprüfen; ihm obliegt lediglich, die Beachtung der
grundrechtlichen Normen und Maßstäbe durch die ordentlichen Gerichte
sicherzustellen (BVerfGE 42, 143 [148]
- DGB - m. w. N.). Dabei hängen die Grenzen seiner
Eingriffsmöglichkeiten namentlich von der Intensität der geltend
gemachten Grundrechtsbeeinträchtigung ab: Die Schwelle eines
Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht, den das
Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erreicht, wenn die
Entscheidung der Zivilgerichte Auslegungsfehler erkennen läßt, die
auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung
eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs
beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten
Rechtsfall von einigem Gewicht sind (BVerfGE a.a.O., S. 149). Je
nachhaltiger ferner eine zivilgerichtliche Entscheidung
grundrechtsgeschützte Voraussetzungen freiheitlicher Existenz und
Betätigung verkürzt, desto eingehender muß die
verfassungsgerichtliche Prüfung sein, ob eine solche Verkürzung
verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist (BVerfGE 54, 208 [215]
- Böll - m. w. N.). Dies gilt nicht nur für den Fall einer
Verurteilung: Auch ein klageabweisendes Urteil kann auf der
Verletzung von Verfassungsrecht beruhen.
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40 |
II.
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Klagantrag 1): Schilderung der Redaktionskonferenz
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41 |
1. Bei Anwendung dieser Maßstäbe gibt die Verfassungsbeschwerde
Anlaß zu intensivierter verfassungsgerichtlicher Prüfung, soweit der
Bundesgerichtshof diejenigen Textpassagen für zulässig
gehalten hat, welche die Wiedergabe der Redaktionskonferenz zum
Inhalt haben. Insofern betrifft die angegriffene Entscheidung einen
Bereich von erheblicher Bedeutung für die Beschwerdeführerin. Deren
intensive Betroffenheit ergibt sich aus dem Eindringen des
Zweitbeklagten in ihre redaktionelle Vertraulichkeitssphäre und der
Veröffentlichung der auf diese Weise gewonnenen Informationen. Der
Wahrung der redaktionellen Vertraulichkeit kommt zum Schutz der
Redaktionsmitglieder, der Informanten, des Presseunternehmens und
seiner Tätigkeit elementare Bedeutung zu. Werden unter Verletzung
dieser Sphäre Inhalt und Ablauf einer Redaktionskonferenz - durch
Wiedergabe in wörtlicher Rede mit dem Anspruch auf Authentizität -
veröffentlicht, so muß dies als ein schwerer Nachteil für die
Beschwerdeführerin angesehen werden. Bei dieser Sachlage kann das
Bundesverfassungsgericht zwar nicht seine Vorstellung von der
zutreffenden Entscheidung an die Stelle derjenigen des
Revisionsgerichts setzen; in keinem Falle hat es über die sachliche
Berechtigung der Kritik des Zweitbeklagten zu entscheiden.
Andererseits kann es die Überprüfung nicht auf die Frage
beschränken, ob die angegriffenen Entscheidungen auf einer
grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung der für die
Beurteilung maßgebenden Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres
Schutzbereichs beruhen. Auch einzelne Auslegungsfehler sind zu
berücksichtigen, sofern das Urteil auf ihnen beruht (vgl. BVerfGE
54, 129 [136]
- Kunstkritik - m. w. N.; 54, 208 [217]).
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42 |
2. Der Bundesgerichtshof geht davon aus, daß Inhalt und Umfang des
"offenen" deliktischen Haftungstatbestandes des § 823 Abs. 1 BGB und
ebenso des § 826 BGB durch eine Abwägung zu ermitteln seien; diese
stehe vor allem unter dem Einfluß der Wertentscheidung, die das
Grundgesetz mit der Gewährleistung der Meinungsfreiheit auch für das
Zivilrecht verbindlich getroffen habe. Auch die Vertragsansprüche
der Beschwerdeführerin könnten nicht ohne eine an Art. 5 Abs. 1 GG
ausgerichtete Interessenabwägung beurteilt werden. Demgemäß wird
seine Beurteilung des Falles in erster Linie als durch eine
Gewichtung der hier in Betracht
zu ziehenden Grundrechtsgehalte getragen. Ob diese zutreffend
bestimmt sind, hängt davon ab, welche Tragweite den Grundrechten des
Art. 5 Abs. 1 GG in Fällen der vorliegenden Art zukommt. Insofern
bedarf es zunächst der Klärung der vom Bundesgerichtshof nicht näher
erörterten Frage, ob die Vertraulichkeit der Arbeit einer Zeitungs-
oder Zeitschriftenredaktion in den Schutzbereich des Grundrechts der
Pressefreiheit fällt.
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43 |
3. a) Der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfaßt auch die
Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit eines Presseunternehmens.
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44 |
Dies hat das Bundesverfassungsgericht bisher noch nicht ausdrücklich
entschieden; es liegt jedoch in der Konsequenz seiner Rechtsprechung
zur Pressefreiheit. So hat das Gericht mehrfach die Bedeutung einer
freien Presse für den freiheitlichen Staat hervorgehoben (besonders
eingehend BVerfGE 20, 162 [174
f.] - Spiegel -; ferner etwa BVerfGE 52, 283 [296]
- Tendenzschutz -), zugleich indessen darauf hingewiesen, daß die
der Presse zufallende "öffentliche Aufgabe" nicht von der
staatlichen Gewalt erfüllt werden kann. Presseunternehmen müssen
sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können; sie arbeiten
nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen und in privatrechtlichen
Organisationsformen; sie stehen miteinander in geistiger und
wirtschaftlicher Konkurrenz, in welche die öffentliche Gewalt
grundsätzlich nicht eingreifen darf (BVerfGE 20, 162 [175]).
|
45 |
Der Funktion der freien Presse im demokratischen Staat entspricht
ihre verfassungsrechtliche Stellung. Als subjektives Recht
gewährleistet die Pressefreiheit den im Pressewesen tätigen Personen
und Unternehmen Freiheit von staatlichem Zwang. In ihrer objektiven
Bedeutung schützt sie die "institutionelle Eigenständigkeit" der
Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der
Nachricht und der Meinung (BVerfGE 10, 118 [121]
st. Rspr.; vgl. etwa noch BVerfGE 62, 230 [243]
- Boykottaufforderung -). In diesem Zusammenhang hat das
Bundesverfassungsgericht wiederholt auf die Bedeutung hingewiesen,
die dem Schutz der Informationsquellen für das Pressewesen zukommt
(BVerfGE 20, 162 [176,
187]; 36, 193 [204];
50, 234 [240];
64, 108 [114
f.]) und insofern das Redaktionsgeheimnis als durch die
Pressefreiheit geschützt angesehen.
|
46 |
Die so umschriebene Pressefreiheit ist für alle
Presseveröffentlichungen gewährt (BVerfGE 25, 296 [307]).
Der Begriff "Presse" ist weit und formal auszulegen; er kann nicht
von einer - an welchen Maßstäben auch immer ausgerichteten -
Bewertung des Druckerzeugnisses abhängig gemacht werden. Die
Pressefreiheit ist mithin nicht auf die "seriöse" Presse beschränkt
(BVerfGE 34, 269 [283]
- Soraya -; vgl. auch BVerfGE 50, 234 [240]).
Das bedeutet nicht, daß es bei der Beurteilung eines konkreten
Falles nicht auf dessen Besonderheiten ankommen könne (vgl. BVerfGE
34, 269 [283]);
nur können diese erst und allein im Rahmen der Prüfung (zulässiger)
rechtlicher Einschränkungen berücksichtigt werden.
|
47 |
Für die Bestimmung des Schutzbereichs der Pressefreiheit kommt es
hiernach wesentlich darauf an, was notwendige Bedingung der Funktion
einer freien Presse ist. Zu diesen Bedingungen gehört die
Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit. Hierfür spricht zunächst der
enge Zusammenhang mit dem Informantenschutz: Auch wenn bei einer
Aufdeckung von Interna der Redaktion nicht über Informanten
berichtet wird, kann, wie der Verband Deutscher
Zeitschriftenverleger in seiner Stellungnahme zutreffend ausgeführt
hat, die Möglichkeit solcher Publikationen die Gefahr in sich
tragen, Informationsquellen versiegen zu lassen. Auch allgemeine
Erwägungen sprechen für einen solchen Schutz: Wenn die
Vertraulichkeit nicht gewährleistet ist, wird auch nicht offen und
ohne Rücksicht auf die Gefahr verkürzter oder entstellter Weitergabe
gesprochen. Der Bundesgerichtshof hat in der angegriffenen
Entscheidung auf die Bedeutung des Schutzes vor Indiskretionen
hingewiesen, ohne den der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der
unbefangenen Mitarbeit in einem Unternehmen vor allem in seinen
hierfür im Vordergrund stehenden Entscheidungsgremien die Grundlage
entzogen wäre. Das gilt auch für die Arbeit einer Zeitungs- oder
Zeitschriftenredaktion. Wo deren
Vertraulichkeit nicht mehr gesichert ist, wird es spontane, "ins
Unreine" gesprochene, möglicherweise verfehlte, gleichwohl die
Diskussion fördernde Äußerungen kaum noch geben; eine Zeitungs- oder
Zeitschriftenredaktion, in der es keine freie Rede gibt, wird aber
schwerlich das leisten, was sie leisten soll. Darauf ist auch in der
erwähnten Stellungnahme hingewiesen worden: Die Aufgabe einer
Redaktion erfordere eine Arbeitsweise, die es nicht vertrage, wenn
jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werde, weil es nach außen
getragen werden könne.
|
48 |
Daß der Schutz der Vertraulichkeit der gesamten
Redaktionsarbeit notwendige Bedingung einer freien Presse ist,
ergibt sich unmittelbar, wenn die Grundrichtung dieses Schutzes in
Betracht gezogen wird: diejenige gegen den Staat. Es wäre mit dem
Grundrecht unvereinbar, wenn staatliche Stellen sich Einblick in die
Vorgänge verschaffen dürften, welche zur Entstehung einer Zeitung
oder Zeitschrift führen. In dieser Staatsgerichtetheit fällt die
Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit daher eindeutig in den
Schutzbereich der Pressefreiheit. Was demgegenüber "Eingriffe"
gesellschaftlicher Kräfte oder Privater betrifft, so kann Art. 5
Abs. 1 Satz 2 GG als subjektivem Recht keine der Staatsgerichtetheit
entsprechende "Dritt-Gerichtetheit" zukommen. Die Vertraulichkeit
der Redaktionsarbeit gehört jedoch zu den Bedingungen einer freien
Presse, die nicht nur durch den Staat, sondern auch durch
gesellschaftliche Kräfte oder Private beeinträchtigt werden können.
Insoweit ist sie Bestandteil der Garantie der Eigenständigkeit der
Presse als objektives Prinzip, das Auslegung und Anwendung der
maßgeblichen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften bestimmt.
|
49 |
b) Wie alle Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG kann allerdings auch
die Pressefreiheit eingeschränkt sein; soweit die Einwirkung des
Grundrechts auf privatrechtliche Vorschriften in Frage steht, können
ihm im Hinblick auf die Eigenart der geregelten Rechtsverhältnisse
andere, unter Umständen engere Grenzen gezogen sein als in seiner
Bedeutung als Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Erst wenn
diese Grenzen berücksichtigt werden, ergibt sich
im
konkreten Fall die Tragweite des Grundrechts. Schranken können sich
aus den in Art. 5 Abs. 2 GG genannten Gesetzen, aber auch
unmittelbar aus der Verfassung selbst ergeben (vgl. BVerfGE 44, 37
(49 f.) m. w. N. - für Art. 4 GG).
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50 |
4. In Fällen der vorliegenden Art sind Schranken der Vertraulichkeit
der Redaktionsarbeit, die durch "allgemeine Gesetze" gezogen sind,
nicht erkennbar; auch mit dem Schutz der Jugend und dem Recht der
persönlichen Ehre hat diese Ausformung der Pressefreiheit nichts zu
tun. In Betracht zu ziehen sind indessen Schranken, die sich aus der
Verfassung selbst ergeben: Es kommt darauf an, ob das Recht
(Dritter), eine Meinung frei zu äußern (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und
die Pressefreiheit als Recht, Meinungsäußerungen in einem Druckwerk
zu publizieren (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), den verfassungsrechtlichen
Schutz der Vertraulichkeit der Pressearbeit begrenzen.
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51 |
a) Das setzt zunächst voraus, daß der Bericht über die
Redaktionskonferenz in den Schutzbereich der beiden Grundrechte
fällt, die unter dem hier wesentlichen Aspekt den gleichen Inhalt
haben, mithin nicht gesondert erörtert werden müssen.
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52 |
Der in direkter Rede verfaßte Bericht steht in engem Zusammenhang
mit der Kritik des Zweitbeklagten; er enthält Tatsachenmitteilungen,
deren Inhalt die Beschwerdeführerin offenbar nicht bestritten hat.
Solche Mitteilungen haben grundsätzlich am Schutz des Art. 5 Abs. 1
GG teil (vgl. BVerfGE 61, 1 [8
f.] - Meinungsäußerung im Wahlkampf -). Von wesentlicher
Bedeutung ist jedoch die Art der Beschaffung der Information, also
die Täuschung über die Identität des Zweitbeklagten in der Absicht,
die so erlangten Informationen gegen die Beschwerdeführerin zu
verwerten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob zwischen der
Beschaffung der Information und deren späterer Verbreitung eine
"Handlungseinheit" besteht, wie in der Verfassungsbeschwerde betont
wird, oder ob Beschaffung und Verbreitung voneinander zu trennen
sind, wie dies in der Stellungnahme der Beklagten ausgeführt ist,
weil in beiden Fällen die Konsequenzen für die Zulässigkeit der
Verbreitung die gleichen sein müssen.
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53 |
aa)
Weder das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung noch die
Pressefreiheit schützen die rechtswidrige Beschaffung von
Informationen. Als eine solche hat der Bundesgerichtshof das
Verhalten des Zweitbeklagten in verfassungsrechtlich unbedenklicher
Weise gewürdigt, indem er dieses als unzulässiges "Einschleichen"
und illegales Vorgehen gekennzeichnet hat. Ebensowenig schützt das
Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2.
Halbsatz GG) eine solche Beschaffung: Dieses gewährleistet nur das
Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten. Daß die Redaktion eines privaten Verlags nicht zu
diesen Quellen zu rechnen ist, bedarf keiner Erläuterung. Auf
weiteres kommt es daher nicht an.
|
54 |
bb) Demgegenüber fällt die Verbreitung rechtswidrig erlangter
Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Hierfür
sprechen mehrere Gründe. Einmal wäre es wenig folgerichtig, ein
Aussageverweigerungsrecht aus der Pressefreiheit abzuleiten, wenn
diese nicht auch die Veröffentlichung dessen umfaßte, was ein
Informant auf rechtswidrige Weise erlangt und der Presse zugetragen
hat. Zum anderen könnte die Kontrollaufgabe der Presse leiden, zu
deren Funktion es gehört, auf Mißstände von öffentlicher Bedeutung
hinzuweisen (vgl. BVerfGE 60, 234 (240 f.) - Kredithaie -). Das
gleiche gilt für die Freiheit des Informationsflusses, die gerade
durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll. Unter
diesem Gesichtspunkt, aber auch unter dem des Schutzes der Presse
und ihrer Tätigkeit würde ein gänzlicher Ausschluß der Verbreitung
rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich des
Art. 5 Abs. 1 GG dazu führen, daß der Grundrechtsschutz von
vornherein auch in Fällen entfiele, in denen es seiner bedarf. Das
ist bei der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen nicht
ausgeschlossen. Diese kann hinsichtlich des Inhalts der Information
von der Aufdeckung eines schweren Verbrechens bis hin zur
Veröffentlichung persönlicher Angelegenheiten eines Bürgers reichen.
Ebenso kann es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information
verschiedene Stufungen geben, einerseits etwa den vorsätzlichen
Rechtsbruch, um
die auf diese Weise verschaffte Information zu publizieren oder
gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße
Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information,
bei der die Rechtswidrigkeit dieser Beschaffung möglicherweise auch
bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal
erkennbar ist. Auch kann es eine Rolle spielen, in welchem Maße
Rechte eines Betroffenen verletzt worden sind. Infolgedessen ist die
Verbreitung auch rechtswidrig erlangter Informationen in den
Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG einzubeziehen. Den Besonderheiten
des konkreten Falles ist im Rahmen der Würdigung der
Schrankenproblematik Rechnung zu tragen.
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55 |
b) Eine Beschränkung der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit kann
sich in Fällen wie dem vorliegenden aus den §§ 823 und 826 i. V. m.
§ 1004 BGB ergeben. Diese Vorschriften sind allgemeine Gesetze im
Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Wenn, wie der Bundesgerichtshof als
zuständiger oberster Gerichtshof annimmt, § 823 Abs. 1 BGB in seiner
Bedeutung für den Schutz des eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetriebs einen nach Umfang und Inhalt "offenen"
Haftungstatbestand enthält und Entsprechendes für § 826 BGB gilt, so
führt das namentlich für die höchstrichterliche Rechtsprechung zu
der Notwendigkeit, solche Offenheiten konkretisierend zu schließen,
indem unter Berücksichtigung der Besonderheiten der zu beurteilenden
Sachverhalte und der Bedeutung der Grundrechte - hier des Art. 5
Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 7, 198 [208])
- Grundsätze entwickelt werden, welche die Entscheidung des
Einzelfalles normativ zu leiten imstande sind: Das, was das Gesetz
offenläßt, ist durch Richterrecht auszufüllen. Diese Aufgabe ist
nicht gleichbedeutend mit derjenigen einer unvermittelten
einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung. Eine solche mag
zwar in besonderem Maße Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen. Sie
kann aber die Rechtsfindung nicht normativ leiten, wie es die
Aufgabe der Gesetze und des ergänzenden Richterrechts ist;
ebensowenig vermag sie dem rechtsstaatlichen Gebot der
Berechenbarkeit des Rechts, der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
gerecht zu werden.
|
56 |
Soweit
hiernach bei der Konkretisierung offener Normen Art. 5 Abs. 1 GG zu
berücksichtigen ist, wird der Stellenwert dieser Gewährleistung vor
allem durch zwei Faktoren bestimmt. Auf der einen Seite kommt es auf
den Zweck der strittigen Äußerung an: Dem Grundrecht der
Meinungsfreiheit kommt um so größeres Gewicht zu, je mehr es sich
nicht um eine unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut gerichtete
Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in
Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum
geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich
berührenden Frage handelt (BVerfGE 7, 198 [212],
st. Rspr.; vgl. etwa noch BVerfGE 61, 1 [11]).
Auf der anderen Seite ist aber auch das Mittel von wesentlicher
Bedeutung, durch welches ein solcher Zweck verfolgt wird, in Fällen
der vorliegenden Art also die Veröffentlichung einer durch Täuschung
widerrechtlich beschafften und zu einem Angriff gegen den
Getäuschten verwendeten Information - nicht etwa nur die Verbreitung
einer wertenden Äußerung. Ein solches Mittel indiziert in der Regel
einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines anderen,
namentlich dann, wenn dieser wegen seiner Vertraulichkeit geschützt
ist; darüber hinaus gerät es in einen schwerwiegenden Widerspruch
mit der Unverbrüchlichkeit des Rechts, einer Grundvoraussetzung der
Rechtsordnung. Bei dieser Sachlage hat die Veröffentlichung
grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn
die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der
Öffentlichkeit und für öffentliche Meinungsbildung eindeutig die
Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und
die (tatsächliche) Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muß.
Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der
dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete
Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits
nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, daß es sich
nicht um Mißstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren
Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.
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57 |
c)
Diese Verfassungslage ist für die Beurteilung von Fällen der
vorliegenden Art von ausschlaggebender Bedeutung.
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58 |
aa) Das angegriffene Urteil enthält Ausführungen, denen sich ein
Grundsatz zur Ausfüllung des § 823 Abs. 1 und § 826 BGB entnehmen
läßt: Die nachteiligen Wirkungen der Veröffentlichung könnten nur
dann hingenommen werden, wenn Ernsthaftigkeit und Bedeutung des
Anliegens, das der Kritiker mit seinem Beitrag verfolge, das Gewicht
dieser Nachteile für den Betroffenen und für die Rechtsordnung in
den Hintergrund drängten; dabei geht der Bundesgerichtshof, wie der
Zusammenhang des Textes zeigt, davon aus, daß das "Anliegen" des
Kritikers ein Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die
Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage sein muß. Ein solcher
Grundsatz ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
|
59 |
bb) Verfassungsrechtlichen Einwänden unterliegt jedoch die Anwendung
dieses Grundsatzes. Der Bundesgerichtshof hat jenem Anliegen zu
hohes, dem Einbruch in die Sphäre der Beschwerdeführerin und den aus
der Folgenlosigkeit eines solchen Vorgehens resultierenden
Nachteilen für die Rechtsordnung zu geringes Gewicht beigemessen.
Zwischen beiden besteht ein Mißverhältnis.
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60 |
Gewiß kann der Hauptzweck der strittigen Veröffentlichung nicht in
der Verfolgung eigennütziger Ziele der Beklagten gesehen werden. Es
ging vielmehr in erster Linie darum, die Kritik an der
"Bild"-Zeitung durch die Aufdeckung wirklicher oder vermeintlicher
Mißstände im Bereich der Herstellung dieses Blattes über das bloß
Meinungsmäßige hinaus durch eine tatsächliche Grundlage zu
unterbauen und damit um so wirksamer zu machen. Angesichts der
lebhaften Diskussion über Ziele und Funktion der "Bild"-Zeitung
betraf diese Kritik auch eine die Öffentlichkeit wesentlich
berührende Frage. Die Schilderung der Redaktionskonferenz deckt
indessen auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs keine
gravierenden Mißstände auf; vollends offenbart sie nichts, was als
rechtswidrig angesehen werden könnte. Es werden lediglich Themen
durchgesprochen, wie sie täglich in der
"Bild"-Zeitung
behandelt werden und von denen einige auch eine gewisse Tendenz
erkennen lassen. Das läßt sicher, wie der Bundesgerichtshof
ausgeführt hat, Einblicke in das "Klima" einer Redaktionskonferenz
zu, kann aber für sich genommen schwerlich als Gegenstand eines
besonderen Öffentlichkeitsinteresses betrachtet werden.
|
61 |
Dies hat auch der Bundesgerichtshof gesehen. Nach seiner Auffassung
kommt es indessen nicht darauf an, daß die Aufzeichnung der
Redaktionskonferenz kein ausreichend deutlicher Beleg für den
kritisierten Umgang mit Informationen bei "Bild"- Hannover sei. Die
Schilderung müsse vielmehr im Zusammenhang der
Gesamtveröffentlichung gesehen werden. Die Kritik, der diese
Schilderung diene, werde durch zahlreiche andere Beispiele getragen.
Deren Gegenstand seien gewichtige Mißstände, weshalb das illegale
Vorgehen des Zweitbeklagten noch kein Verwertungsverbot für die
zugrundeliegenden Informationen nach sich ziehen könne. Selbst bei
einer Erweiterung der Würdigung auf einen solchen Gesamtzusammenhang
bleibt es aber dabei, daß auch die weiteren Beispiele - mögen sie
auch zu Beanstandungen Anlaß geben - nichts enthalten, was als
rechtswidrig anzusehen wäre, und daß die Informationen nur zur
Untermauerung der Kritik des Zweitbeklagten dienten. Diese mochte
weniger wirksam sein, wenn sie auf die Verwertung der widerrechtlich
beschafften Informationen verzichtet hätte. An Kritik war der
Zweitbeklagte jedoch auch in einem solchen Falle nicht gehindert.
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62 |
Auf der anderen Seite hat der Bundesgerichtshof die Bedeutung des
verfassungsrechtlich ebenfalls wesentlichen Mittels der Beschaffung
und Veröffentlichung der Informationen unzutreffend gewürdigt.
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63 |
Nach seiner Auffassung wird die Rechtsordnung durch Mißstände in der
Öffentlichkeitsarbeit der "Bild"-Zeitung, deren Aufklärung und
Bewertung im Austausch der Meinungen zu den Aufgaben gehöre, um
derentwillen das Grundgesetz die Meinungsfreiheit garantiere,
insgesamt gesehen stärker betroffen als durch den Umstand, daß ihre
Offenlegung zugleich die illegale Informationsbeschaffung
manifest mache. Ein Veröffentlichungsverbot um der Ordnung willen
müsse in diesem Konflikt als formales Abheben auf das zu
beanstandende Verhalten nur der einen Seite, des Kritikers,
erscheinen und die Störung der Ordnung durch die kritisierten
Sachverhalte unbewertet lassen. Das aber müsse das Rechtsgefühl
stärker belasten als die Zulassung der mit der Veröffentlichung
verbundenen nachteiligen Wirkungen.
|
64 |
Diese Ausführungen setzen sich nicht näher mit
dem Umstand auseinander, daß, wie auch das Berufungsgericht
ausgeführt hat, der Unrechtsgehalt der Beschaffung der Informationen
durch den Zweitbeklagten erheblich ist. Dies ergibt sich aus dem
besonderen Schutz der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit. Zudem
verletzen eine Täuschung durch den Publizierenden in der Absicht,
die auf diese Weise erlangten Informationen gegen den Getäuschten zu
verwenden, und die Realisierung dieser Absicht das Recht in
schwerwiegender Weise. Der Erstbeklagte hat jedenfalls das Verhalten
des Zweitbeklagten gebilligt. Die Beurteilung der hieraus
resultierenden Nachteile für die Rechtsordnung vernachlässigt die
Bedeutung der Verbindlichkeit des Rechts. Die Rechtsordnung besteht
nicht nur aus "formalen" Regeln; ebensowenig ist sie nur Ordnung um
der Ordnung willen, der sich eine "Ordnung" entgegensetzen läßt,
welche durch die kritisierten, das bestehende Recht nicht
verletzenden Sachverhalte gestört wird und der gegenüber der an
Verfassung und Gesetz gebundene Richter sich unmittelbar auf das
Rechtsgefühl berufen kann. Unter dem Grundgesetz ist die
Rechtsordnung vielmehr eine förmliche und inhaltliche Ordnung, die
der demokratische Gesetzgeber im Rahmen und nach den Richtlinien der
Verfassung zu schaffen hat. Hiervon abgesehen ist die prinzipielle
Verbindlichkeit des Rechts Grundvoraussetzung seiner Ordnungs- und
Friedensfunktion, ohne die menschliches Zusammenleben in einem
Gemeinwesen nicht möglich ist.
|
65 |
Dem trägt es nicht hinreichend Rechnung, wenn der Bundesgerichtshof
davon ausgeht, daß ein Verbot der Veröffentlichung der rechtswidrig
beschafften Informationen lediglich formal zu begründen
wäre, und wenn er die Nachteile als gering veranschlagt, welche der
Beschwerdeführerin und zugleich der Rechtsordnung durch eine
Hinnahme der Illegalität der Beschaffung erwachsen. Damit wird nicht
nur die dargelegte Bedeutung und der Eigenwert der Verbindlichkeit
des Rechts verkannt, sondern auch in einem unvertretbaren Maße die
Schwelle heruntergesetzt, jenseits deren erhebliche
Rechtsverletzungen folgenlos bleiben.
|
66 |
5. Die angegriffene Entscheidung beruht auf diesem Fehler: Es kann
nicht ausgeschlossen werden, daß der Bundesgerichtshof, hätte er die
nachteiligen Wirkungen einer Sanktionslosigkeit des Verhaltens der
Beklagten anders beurteilt, einen Vorrang des von diesen verfolgten
Anliegens verneint hätte, zumal der Bericht über die
Redaktionskonferenz nur der erhöhten Wirksamkeit einer dem
Zweitbeklagten unbenommenen Kritik diente, während er für sich
genommen keine wesentliche Öffentlichkeitsbedeutung in Anspruch
nehmen konnte. Bei einer solchen Beurteilung wäre die
Veröffentlichung der Beklagten nicht durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt.
Damit fehlte es an einer Schranke der Pressefreiheit, soweit diese
auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit von Presseunternehmen
schützt (vgl. oben 3). Die angegriffene Entscheidung zu dem
Klagantrag 1) verstößt mithin gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
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67 |
III.
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Klagantrag 3): Veröffentlichung der Manuskriptseite
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68 |
1. Soweit der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auch insoweit
aufgehoben hat, als dieses die Abbildung einer Manuskriptseite aus
dem journalistischen Beitrag des Zweitbeklagten als unzulässig
angesehen hat, den der Chefreporter redaktionell bearbeitet hatte
(S. 75 des Buches), kann nicht festgestellt werden, daß die
angegriffene Entscheidung gegen Art. 5 Abs. 1 GG verstößt.
|
69 |
a) Vier Richter, deren Auffassung die Entscheidung trägt, halten
das Urteil des Bundesgerichtshofs zu dem Klagantrag 3) für mit Art.
5 Abs. 1 GG vereinbar. Nach ihrer Auffassung unterscheidet sich der
zu beurteilende Sachverhalt von demjenigen, welcher der Entscheidung
über den Klagantrag 1) zugrunde liegt. Gegenstand der Kritik des
Zweitbeklagten sind dessen persönliche Erfahrungen mit einem anderen
Redaktionsmitglied und die Art und Weise, wie dieses ein Manuskript
des Zweitbeklagten verfälscht hat. Anders als bei Berichten über den
Verlauf einer Redaktionskonferenz, bei denen Indiskretionen über
Äußerungen Dritter die vertrauensvolle Zusammenarbeit und
unbefangene Mitarbeit empfindlich beeinträchtigen, ist die
Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit der Beschwerdeführerin in
geringerem Maße betroffen. Für eine intensivierte Nachprüfung durch
das Bundesverfassungsgericht ist daher kein Raum; ebenso wie bei dem
Klagantrag 2), mit dem der Klagantrag 3) nach dem Lebenssachverhalt
zusammenhängt, ist auch hier die Überprüfung auf die Frage zu
beschränken, ob die angegriffene Entscheidung auf einer
grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung der für die
Beurteilung maßgebenden Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres
Schutzbereichs beruht. Diese Frage ist zu verneinen. Der
Bundesgerichtshof konnte hier von einem überwiegenden
Öffentlichkeitsinteresse an der Publikation des Zweitbeklagten
ausgehen. Seine Entscheidung ist daher unter dem Gesichtspunkt des
Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
|
70 |
b) Nach Ansicht der vier anderen Richter kann für die Entscheidung
über diesen Klagantrag nichts anderes gelten als für die
Entscheidung über den Klagantrag 1). Es begründet keinen
wesentlichen Unterschied, daß dort ein in direkter Rede
wiedergegebenes Protokoll, hier jedoch die Korrektur einer von dem
Zweitbeklagten verfaßten Manuskriptseite veröffentlicht worden ist:
Beides dient als Beleg für die Mißstände in der Redaktion der
"Bild"-Zeitung. Der Vorgang ist Teil der Redaktionsarbeit; der
Inhalt der korrigierten Seite ist ebenso vertraulich, er ist
insofern ebenso Bestandteil der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich
geschützten Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit wie die
Redaktionskonferenz; er enthält - auch wenn er die Praxis der
"erfundenen Geschichten" bestätigen sollte - eindeutig nichts
Rechtswidriges, während die Beklagten sich die zugrundeliegenden
Informationen in der gleichen widerrechtlichen Weise zugänglich
gemacht haben. Infolgedessen gelten die Ausführungen unter II sowohl
hinsichtlich des Prüfungsumfangs als auch hinsichtlich der
rechtlichen Beurteilung: Auch hier besteht ein Mißverhältnis
zwischen dem Eindringen des Zweitbeklagten in der Rechtssphäre der
Beschwerdeführerin, das erst in der Publikation seine volle
Tragweite entfaltet, und dem Gehalt der Publikation, welcher die
Kritik des Zweitbeklagten nicht etwa erst ermöglicht, sondern ihr
nur erhöhte Wirksamkeit vermitteln soll. Das Verhalten der Beklagten
ist daher durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht gedeckt.
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71 |
2. Die Entscheidung des Bundesgerichtshof über den Klagantrag 3)
verletzt nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG.
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72 |
Der Auffassung der Beschwerdeführerin, die Veröffentlichung der
Manuskriptseite müsse ebenso wie der Bericht über die
Redaktionskonferenz unabhängig von dem Schutz durch die
Pressefreiheit als schwerer Eingriff in die betriebliche
Rechtssphäre gewertet werden, die unter dem Gesichtspunkt des
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs am Schutz des Art. 14
Abs. 1 GG teilhabe, kann nicht gefolgt werden. Inwieweit der
eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als tatsächliche
Zusammenfassung der zum Vermögen eines Unternehmens gehörenden
Sachen und Rechte von der Gewährleistung der Eigentumsgarantie
umfaßt wird (vgl. BVerfGE 51, 193 [221
f.]), bedarf keiner näheren Erörterung. Denn es ist weder
vorgetragen noch erkennbar, daß der Vertrauensbruch des
Zweitbeklagten zu irgendeinem vermögensrechtlichen Nachteil für die
Beschwerdeführerin geführt und diese damit in ihrem - selbst in
einem denkbar weiten Sinn verstandenen - Eigentum verletzt haben
könnte. Etwaige jenseits der Vermögenssphäre eines Unternehmens
bestehende Rechte
oder Interessen können jedoch in keinem Fall "Eigentum" sein.
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73 |
Eine Verletzung der Eigentumsgarantie ist auch nicht erkennbar,
soweit die Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 249 BGB ergänzend
geltend macht, sie könne grundsätzlich verlangen, so gestellt zu
werden, wie sie gestanden hätte, wenn sie von dem Zweitbeklagten
nicht durch Eingehungsbetrug getäuscht worden wäre, und beanstandet,
daß der Bundesgerichtshof den daraus sich ergebenden Anspruch, der
Bestandteil des Schutzbereichs aus Art. 14 Abs. 1 GG sei,
vollständig vernachlässigt habe. In Betracht kommt nur § 249 Satz 2
BGB. Dieser begründet zwar im Zusammenhang mit den zum Schadenersatz
verpflichtenden Vorschriften einen vermögenswerten, im
Ausgangsverfahren allerdings nicht geltend gemachten,
bürgerlich-rechtlichen Anspruch; doch ist dessen Grund zwischen den
Parteien des Ausgangsverfahrens streitig. Über sein Bestehen haben
ausschließlich die hierfür zuständigen ordentlichen Gerichte zu
entscheiden. Solange dies nicht geschehen ist, kann im
verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht davon ausgegangen werden,
daß der Anspruch als ein durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes
Recht der Beschwerdeführerin zustehe. Im übrigen ist auch insoweit
nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführerin überhaupt ein
Vermögensschaden entstanden sein soll.
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74 |
3. Ebensowenig verletzt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über
den Klagantrag 3) den Anspruch der Beschwerdeführerin auf
rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Es verstößt nicht gegen
dieses Grundrecht, wenn der Bundesgerichtshof als Beleg dafür, daß
die Veröffentlichung gewichtige Mißstände der redaktionellen Arbeit
der Beschwerdeführerin aufdecke, auf verschiedene in der Publikation
des Zweitbeklagten wiedergegebene Sachverhalte hingewiesen und diese
berücksichtigt hat, ohne der Beschwerdeführerin ausdrücklich
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
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75 |
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs gibt
dem Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren ein
Recht
darauf, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden
Sachverhalt vor Erlaß der Entscheidung zu äußern (BVerfGE 60, 1 [5];
st. Rspr.).
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76 |
Das von dem Zweitbeklagten verfaßte Buch war den Parteien bekannt.
Es war als Bestandteil der Verfahrensakten in den Prozeß eingeführt.
Die Beschwerdeführerin hatte die Möglichkeit, zu den Ausführungen
des Buches Stellung zu nehmen. Sie konnte nicht ausschließen, daß zu
einer solchen Stellungnahme Anlaß bestehe. Denn es lag zumindest
nahe, daß die im Ausgangsverfahren strittigen Passagen im Kontext
der Gesamtveröffentlichung beurteilt werden würden. In einem solchen
Zusammenhang stehen die vom Bundesgerichtshof verwerteten
Ausführungen, die als Beleg der die Kritik des Zweitbeklagten
tragenden erheblichen Mißstände dienen. Da die verwerteten
Textstellen von der Beschwerdeführerin bislang nicht beanstandet
worden waren, bestand auch kein Grund zu der Annahme, daß insoweit
ein Hinweis geboten sei. Selbst wenn indessen eine
Aufklärungspflicht gemäß § 139 ZPO bestanden haben sollte, würde in
der Unterlassung eines Hinweises noch kein Verstoß gegen Art. 103
Abs. 1 GG liegen: Aus diesem Grundrecht ergibt sich keine allgemeine
Frage- und Aufklärungspflicht des Richters (vgl. BVerfGE 42, 64 [85]
- abweichende Meinung). Es ist demgemäß nicht verletzt, wenn der
Richter einer solchen - durch einfaches Verfahrensrecht begründeten
- Pflicht nicht nachkommt.
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77 |
IV.
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Klagantrag 2): Äußerung des Chefreporters
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78 |
Soweit die Verfassungsbeschwerde sich dagegen wendet, daß das
Berufungsgericht und der Bundesgerichtshof die Textstelle auf S. 73
des Buches des Zweitbeklagten nicht verboten haben, ist sie nicht
begründet. Die angegriffenen Entscheidungen lassen keine
Grundrechtsverstöße erkennen.
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79 |
1. Dies gilt zunächst für die Rüge einer Verletzung des Art. 5 Abs.
1 GG. Insoweit gibt die Fallgestaltung keinen Anlaß zu
intensivierter verfassungsgerichtlicher Prüfung. Wenn die Beschwerdeführerin
sich von dem Chefreporter hat ermächtigen lassen, dessen
Persönlichkeitsrecht geltend zu machen, so ist sie offenbar davon
ausgegangen, daß in erster Linie dieses Recht und nicht die
Pressefreiheit zu verteidigen sei. Die Vertraulichkeit der
Redaktionsarbeit ist nicht intensiv betroffen: Im Unterschied zu dem
Bericht über die Beratungen der Redaktionskonferenz handelt es sich
hier um die Wiedergabe eines Telefongesprächs des Zweitbeklagten mit
dem Chefreporter, die zudem, wie das Berufungsgericht ausgeführt
hat, eher einen Gesprächsfetzen zum Inhalt hat. Die
verfassungsgerichtliche Prüfung ist deshalb darauf zu beschränken,
ob die angegriffenen Entscheidungen insoweit auf einer grundsätzlich
unrichtigen Auffassung von der Bedeutung der hier einschlägigen
Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs beruhen.
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80 |
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die mitgeteilte
Äußerung nicht geeignet sei, das Recht der Beschwerdeführerin am
Gewerbebetrieb zu beeinträchtigen; ohne eine solche Beeinträchtigung
könne sie aus eigenem Recht einen Unterlassungsanspruch nicht
geltend machen. Die Beschwerdeführerin sei auch nicht befugt, das
Persönlichkeitsrecht des Chefreporters auf dessen Ermächtigung im
Wege der Prozeßstandschaft geltend zu machen. Dem kann das
Bundesverfassungsgericht nicht entgegentreten. Der Bundesgerichtshof
nimmt im Revisionsurteil zwar auf seine Ausführungen zu dem
Klagantrag 1) Bezug; bei Zugrundelegung des dargelegten
Prüfungsumfangs ist seine Entscheidung aber im Ergebnis
verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
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81 |
2. Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG durch die angegriffenen
Urteile kommt aus den oben (III 2) erörterten Gründen nicht in
Betracht. Ebenso scheidet ein Verstoß des Revisionsurteils gegen
Art. 103 Abs. 1 GG aus (vgl. oben III 3).
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82 |
V.
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Klagantrag 4 b): "Emotionen und Vorurteile"
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83 |
Soweit
die Verfassungsbeschwerde sich gegen die Entscheidungen über die
Zulässigkeit der Kritik des Zweitbeklagten auf S. 126 seines Buches
richtet, ist sie ebenfalls nicht begründet. Eine
Grundrechtsverletzung ist nicht erkennbar.
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84 |
1. Auch diese Textpassage gibt keinen Anlaß zu intensivierter
verfassungsgerichtlicher Prüfung. Der Inhalt der strittigen Äußerung
hat mit Informationen aus der Redaktionsarbeit der "Bild"- Zeitung
zumindest unmittelbar nichts zu tun. Auch wenn die Äußerung im
Zusammenhang mit den vorangehenden und weiteren Ausführungen gelesen
wird, enthält sie eine Kritik, welche derartige Informationen nicht
voraussetzt. Andere Gesichtspunkte, welche auf eine besonders
intensive Betroffenheit der Beschwerdeführerin durch die
angegriffenen Entscheidungen schließen lassen könnten, sind nicht
ersichtlich.
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85 |
2. Bei Berücksichtigung des damit maßgeblichen eingeschränkten
Prüfungsumfangs sind die angegriffenen Entscheidungen
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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86 |
a) Ob die zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens strittige
Passage vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfaßt wird, hängt
davon ab, ob es sich um eine erwiesen oder bewußt unwahre
Tatsachenbehauptung oder um ein Werturteil über die "Bild"-Zeitung
handelt (vgl. BVerfGE 61, 1 [8
f.]). Eine Äußerung fällt in den Schutzbereich des Grundrechts
der Meinungsfreiheit, wenn sie durch die Elemente der Stellungnahme,
des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist. Das muß auch dann gelten,
wenn sich diese Elemente - wie häufig - mit Elementen einer
Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder vermischen,
jedenfalls dann, wenn sich beide nicht trennen lassen und der
tatsächliche Gehalt gegenüber der Bewertung in den Hintergrund tritt
(BVerfGE a.a.O.).
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87 |
Zu Recht gehen das Berufungsgericht und der Bundesgerichtshof davon
aus, daß die fragliche Textstelle keine Tatsachenbehauptungen,
sondern Werturteile enthalte. Es handelt sich um eine Stellungnahme
zu dem Inhalt der "Bild"-Zeitung und der Wirkung, die sie auf den
Leser ausübt. Dieses Urteil des Zweitbeklagten
knüpft nicht an einzelne Tatsachen oder konkrete Sachverhalte an; es
enthält vielmehr eine globale Bewertung der inhaltlichen Tendenz der
Zeitung. Ob sich die "Bild"-Zeitung für oder gegen die Todesstrafe
ausgesprochen hat, ist in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht
der Beschwerdeführerin ohne Bedeutung; der Zweitbeklagte hat eine
entsprechende Tatsachenbehauptung nicht aufgestellt. Auch dann, wenn
die Textstelle ein gewisses tatsächliches Substrat enthalten sollte,
tritt dieses im Verhältnis zu ihrem wertenden Gehalt in den
Hintergrund. Die Passage enthält mithin eine durch Art. 5 Abs. 1 GG
grundsätzlich geschützte Meinungsäußerung.
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88 |
b) Infolgedessen hatten die Gerichte dem Einfluß des Art. 5 Abs. 1
GG auf die Anwendung der hier in Betracht kommenden "allgemeinen
Gesetze" Rechnung zu tragen. Diese sind ihrerseits aus der
Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im
freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer das
Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (BVerfGE
7, 198 [208
f.]; st. Rspr.; vgl. etwa noch BVerfGE 61, 1 [10]).
Maßgebend hierfür sind die Grundsätze, die in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit herabsetzender
Meinungsäußerungen entwickelt worden sind:
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89 |
Handelt es sich bei diesen im Einzelfall um einen Beitrag zum
geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich
berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit
der freien Rede; eine Auslegung der die Meinungsfreiheit
beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik
überhöhte Anforderungen stellt, ist mit Art. 5 GG nicht vereinbar (BVerfGE
54, 129 [137]
m. w. N.). Darüber hinaus muß derjenige, der im öffentlichen
Meinungskampf zu einem herabsetzenden Urteil Anlaß gegeben hat, eine
scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein
Ansehen mindert. Diese Verknüpfung von Anlaß und Reaktion ist nicht
auf gegenseitige Beleidigungen beschränkt. Vielmehr ist maßgeblich
darauf abzustellen, ob und in welchem Ausmaß der von herabsetzenden
Äußerungen Betroffene seinerseits an dem durch Art. 5 Abs. 1 GG
geschützten Prozeß öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich
damit aus eigenem Entschluß den Bedingungen des Meinungskampfes
unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner
schützenswerten Privatsphäre begeben hat (BVerfGE a.a.O., S. 138;
BVerfGE 61, 1 [13]).
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90 |
Beide Voraussetzungen treffen auf die in der strittigen Textpassage
veröffentlichte Kritik des Zweitbeklagten zu. Es handelte sich weder
um einen Gegenstand ohne allgemeines Interesse noch um eine private
Auseinandersetzung, sondern um einen Beitrag zum öffentlichen
Meinungskampf. Eine Zeitung wie die "Bild"-Zeitung, die, wie der
Bundesgerichtshof ausgeführt hat, eindeutig und bewußt in
Aufmachung, Themenwahl und Themenbehandlung zur Polarisierung der
Standpunkte herausfordert, konnte Anlaß zu scharfer und abwertender
Kritik geben; daß sie als Presseorgan zu den Hauptträgern des
öffentlichen Meinungskampfes gehört und sich damit den Bedingungen
dieses Kampfes unterworfen hat, bedarf keiner näheren Darlegung.
Unerheblich ist, ob die Äußerung des Zweitbeklagten "wertvoll" oder
"wertlos", "richtig" oder "falsch", emotional oder rational
begründet ist (BVerfGE 61, 6 [7] m. w. N.).
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91 |
Die hieraus sich ergebende Einwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG auf die
anzuwendenden allgemeinen Gesetze haben die Gerichte nicht verkannt.
Sie sind nicht davon ausgegangen, daß es dem Zweitbeklagten in
erster Linie um vorsätzliche Kränkung der Beschwerdeführerin, also
um "Schmähkritik" gegangen sei, bei der die genannten Grundsätze
nicht eingreifen können. Diese Wertung ist der Nachprüfung des
Bundesverfassungsgerichts entzogen; sie beruht nicht auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des
Grundrechts der Meinungsfreiheit.
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92 |
Dr.
Herzog, Dr. Simon, Dr. Hesse, Dr. Katzenstein, Dr. Niemeyer, Dr. Heußner,
Niedermaier, Dr. Henschel
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Rolf Schälike
Dieser mein Web-Auftritt wurde zuletzt aktualisiert am 06.11.06
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